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Christian Felber
Gemeinwohl-Ökonomie

Das Wirtschaftsmodell der Zukunft


Wien 2010 (Deuticke/Zsolnay); 160 Seiten; ISBN 978-3-552-06137-8


Siehe auch: Erweiterte Neuausgabe: Gemeinwohl-Ökonomie – Eine demokratische Alternative wächst


HÖREN!




Zum Gemeinwohl!
Neuer Trinkspruch




Nie wieder soll jemand sagen können, dass es zum Kapitalismus und zu den real sozialistischen Irrwegen keine Alternative gebe. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine profunde Antwort auf die vielgesichtige Krise der Gegenwart: Finanzblasen, Arbeitslosigkeit, Armut, Klimawandel, Migration, Demokratieabbau, Werte- und Sinnverlust.

Felbers Gemeinwohl-Ökonomie beruht – wie eine Marktwirtschaft – auf privaten Unternehmen und individueller Initiative, jedoch streben die Betriebe nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn, sondern sie kooperieren mit dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls. Dieses wird der neuen Hauptbilanz aller Unternehmen, der Gemeinwohl-Bilanz, gemessen. Die erfolgreichsten Unternehmen, also jene, die sozial verantwortlich, ökologisch, demokratisch und solidarisch agieren, erhalten rechtliche Vorteile. Neben einer Mehrheit von privaten Kleinunternehmen gibt es auch gemischtes Eigentum bei Großbetrieben und »demokratische Allmenden« in der Grundversorgung von der Bahn bis zu den Banken. Die Unterschiede bei Einkommen und Vermögen werden auf einstimmiges Maß begrenzt. Es geht nicht mehr vorrangig um Geld, sondern um Sinn und Beziehung. Der unnötige Widerspruch zwischen Freiheit und Gleichheit wäre aufgelöst.


(Klappentext)




Siehe auch:
www.christian-felber.at/schaetze/gemeinwohl.pdf (Zweiseitige Zusammenfassung der »Gemeinwohl-Ökonomie« als PDF auf Christian Felbers Website)


Website: Gemeinwohl-Ökonomie


Christian Felber


Christian Felber, geboren 1972 in Salzburg, studierte Romanische Philologie und Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie in Wien und Madrid, seit 1996 freier Publizist und Autor, seit 2000 engagiert bei Attac Österreich, das er mitbegründet und mit aufgebaut hat. Er ist ein gefragter Referent zu Wirtschafts- und Gesellschaftsfragen. Veröffentlichungen u. a.: »Schwarzbuch Privatisierung« (gem. mit Michel Reimon, 2003); »Das kritische EU-Buch« (hrsg. von Attac, 2006), »Neue Werte für die Wirtschaft« (2008), »Kooperation statt Konkurrenz« (2009)


Inhaltsverzeichnis



Vorwort



1.

Kurzanalyse




Menschliche Werte – Werte der Wirtschaft – Werte sind Leitsterne – Aus Egoismen wird Gemeinwohl – Würde ist der höchste Wert – »Freier« Markt? – Vertrauen wichtiger als Effizienz – Die Folgen von Gewinnstreben und Konkurrenz: die zehn Krisen des Kapitalismus



2.

Die Gemeinwohl-Ökonomie – Der Kern




Umpolung des Anreizrahmens – Unternehmerischen Erfolg neu definieren – Gemeinwohl definieren durch Wirtschaftskonvent – Gemeinwohl messen – Die Gemeinwohlbilanz – Gemeinwohlstreben belohnen – Gewinn als Mittel – Erlaubte Verwendungen von Überschüssen – Nicht erlaubte Verwendung von Überschüssen – Strukturelle Kooperation – Konkurs – Kooperative Marktplanung – Soziale Sicherheit und vier Freijahre



3.

Die Demokratische Bank




Ziele und Leistungen – Transparenz und Sicherheit – Finanzierung, Refinanzierung, Konkurs – Zinsen und Inflation – Soziale und ökologische Kreditprüfung – Ökosoziales Risikokapital und Risikokredite – Subsidiarität, Demokratie, Kontrolle, Transparenz – Verhältnis zu Privatbanken – Zentralbank und globale Kooperation – Weltwährungsunion und Globo – Auf zur Gründung!



4.

Eigentum




Negative Rückkopplungen – Relative Begrenzung der Einkommensungleichheit – Begrenzung der Privatvermögen – Größengrenze für Unternehmen – Begrenzung des Erbrechts und »demokratische Mitgift« – Immobilien – Vererbung von Unternehmen: der demokratische Erbpool – Schenkung – »Demokratische Allmenden« – Freiheit und Gleichheit



5.

Motivation und Sinn




Motivation – Sinn – Erziehung und Bildung



6.

Weiterentwicklung der Demokratie




Wir sind Souverän! – Ausbau der Gewaltentrennung – Dreistufige direkte Demokratie – Trennung zwischen verfassungsgebender und verfasster Gewalt – Demokratischer Wirtschaftskonvent – Bildungskonvent – Daseinsvorsorgekonvent – Medienkonvent – Drei-Säulen-Demokratie



7.

Beispiele und Vorbilder




1. Mondragón – die weltgrößte GenossInnenschaft (Baskenland)
2. Sekem – Biolandwirtschaft in der Wüste (Ägypten)
3. Göttin des Glücks und Craft Aid – ökofaire Textilien (Mauritius/Österreich)
4. Grameen – Mikrokredite und Social Business (Bangladesch)
5. Fairer Handel – die Menschen hinter den Produkten wertschätzen (58 Erzeugerländer)
6. Migros – genossenschaftlicher Einzelhandel mit Eigenprodukten (Schweiz)
7. GLS Bank, Freie Gemeinschaftsbank, Alternative Bank Schweiz, Sparda-Bank München, Ethical Banking, Oikocredit (Deutschland, Schweiz, Italien, Holland, Österreich)
8. Wagner & Co Solartechnik (Deutschland)
9. GEA, gugler*, Zotter – Pioniere in unterschiedlichen Branchen (Österreich)
10. Cecosesola – MultigenossInnenschaft (Venezuela)
11. Solidarische Ökonomie (Brasilien)
12. Open source – global
13. »Non-Profit«: 170 000 Arbeitsplätze in nichtgewinnorientierten Betrieben (Österreich)
14. Kostenlose Bedürfnisbefriedigung (immer und überall)



8.

Umsetzung und Strategie für die Zukunft




Der Weg über direkte Demokratie – Attac-UnternehmerInnen – Strategie für die Zukunft



9.

Häufig gestellte Fragen




Ist die Konkurrenz nicht in der Menschennatur angelegt?
Gibt es denn eine (weltweite) Moral?
Hat nicht jeder Mensch andere Werte?
Ist die Gemeinwohlpflicht nicht Überregulierung und Zwang?
Ist nicht jeder Mensch einzigartig und deshalb Kapitalismus doch die gerechteste Wirtschaftsform?
Wer kontrolliert das Gemeinwohlverhalten der Unternehmer?
Was passiert mit Unternehmen, die nicht mitmachen?
Wäre es anstelle der »Anreize« nicht besser, die Gemeinwohl-Ökonomie würde auf intrinsischer Motivation beruhen?
Die MitarbeiterInnen wollen doch gar keine Verantwortung übernehmen!
Existiert nicht schon heute Kooperation und Konkurrenz nebeneinander? Kommt es nicht auf ein ausgewogenes Verhältnis an?
Sind rechtliche Vorteile für die Gemeinwohlorientiertesten und die Aufhebung des Wettbewerbs nicht ein Widerspruch?
Würde die Belohnung von Kooperation nicht zu Monopolen zu Lasten der KonsumentInnen führen?
Ist das noch eine Marktwirtschaft?
Müsste nicht die ganze Welt mitmachen?
Wird es in der Gemeinwohl-Ökonomie Wachstum geben?



10.

ErstunterzeichnerInnen







Anmerkungen, Literatur, Dank


Leseprobe


Vorwort






Es gibt immer eine Alternative.
There is always an alternative.



Margaret Thatcher und allen Neoliberalen und Sozialdarwinisten ins Stammbuch






Die gegenwärtige Form des Wirtschaftens, die kapitalistische Marktwirtschaft, hat eine gefährliche Krisenlandschaft geschaffen: Finanzblasen, Arbeitslosigkeit, Verteilungskrise, Klimakrise, Energiekrise, Hungerkrise, Konsumkrise, Sinnkrise, Demokratiekrise …

Alle diese Krisen hängen miteinander zusammen, sie sind auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen: die fundamentale Anreizstruktur unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems: Gewinnstreben und Konkurrenz. Diese Kernmotivation fördert egoistisches und rücksichtsloses Verhalten, lässt zwischenmenschliche Beziehungen scheitern und gefährdet den seelischen, sozialen und ökologischen Frieden.

Dabei ginge es so viel menschlicher und zudem effizienter! Die Gemeinwohl-Ökonomie fördert und belohnt dieselben Verhaltensqualitäten und Werte, die unsere menschlichen und ökologischen Beziehungen gelingen lassen. Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Laut wissenschaftlicher Forschung werden Menschen in einem solchen Anreizrahmen stärker motiviert als durch Konkurrenz und Egoismus. Die anthropologischen Annahmen, auf denen die Marktwirtschaft beruht, sind wissenschaftlich nicht haltbar und weitgehend widerlegt. Die Grundlagen der Gemeinwohl-Ökonomie habe ich in meinem vorletzten Buch »Neue Werte für die Wirtschaft« ausgearbeitet, jetzt liegt sie weiterentwickelt und »destilliert« in Reinform vor.

Bei der Ausarbeitung haben rund zwei Dutzend Attac-UnternehmerInnen geholfen. Knapp siebzig Unternehmen tragen den vorliegenden Entwurf mit. Sie sind im Anhang angeführt und werden sich für die Verbreitung dieser Idee einsetzen. Damit wollen wir zeigen, dass sich viele Unternehmen einen anderen Ordnungsrahmen für das Wirtschaften wünschen. Jedoch wäre es naiv, so zu tun, als könnte dies ohne die Änderung der gegenwärtigen Machtverhältnisse über die Bühne gehen. Deshalb wird großes Augenmerk auf die Eigentums- und die Demokratiefrage gelegt: die großen blinden Flecken einer sogenannten »freien« Marktwirtschaft. Mit der Gemeinwohl-Ökonomie wird niemand mehr so unverhältnismäßig reich und mächtig werden wie heute, aber materieller Wohlstand bis hin zu Luxus wären immer noch möglich. Der Gewinn sind mehr Chancengleichheit, Lebensqualität und Demokratie: eine gesamtgesellschaftliche Win-win-Situation. Deshalb werden sich auch viele Unternehmen und Vermögende dafür einsetzen.

Ob die Gemeinwohl-Ökonomie kommt oder nicht: Die Wirtschaft wird in den nächsten Jahr(zehnt)en eine radikale, vielleicht gewaltsame Umformung erfahren: Der »Peak Oil« liegt unmittelbar vor – oder vielleicht sogar schon hinter uns. Das knapper werdende Erdöl wird zwangsläufig zu einer Veränderung der Produktionsweise und der Konsumgewohnheiten führen, wie es sonst nur Kriege oder Naturkatastrophen zu bewirken vermögen. Wir können diesem Trauma tatenlos entgegensehen – oder uns darauf vorbereiten und den Übergang glätten. Die Gemeinwohl-Ökonomie baut auf systematische Kooperation auf, auch auf Kooperation mit der Natur. Sie beruht auf überlebensfähigen Strukturen, die ökologische Schocks, anstatt sie zu produzieren, solidarisch abfedern helfen. Wir haben die Wahl. Und wir brauchen einander: Mit »Kontrakurrenz« wird es die Mehrheit der Menschheit nicht schaffen; mit dem Wahrnehmen der Verbundenheit aller und der daraus resultierenden Kooperation und Gemeinwohlorientierung werden wir weitergehende Freiheit erfahren als in der kapitalistischen Ellbogengesellschaft.

Die Gemeinwohl-Ökonomie könnte auch für die weltweiten und vielfältigen Ansätze von solidarischer Ökonomie ein gedeihlicher Rahmen sein. Denn im kapitalistischen Umfeld haben es solidarische und gemeinwohlorientierte Betriebe schwer – es braucht auch die dazupassende Wirtschaftsordnung.

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist kein vollendetes Modell, vielmehr sollen die Details erst in demokratischen Prozessen festgelegt werden; alle konkreten Zahlen sind daher nur als »Startwerte« für eine breitere Diskussion zu verstehen. Und schon gar nicht ist sie das »Ende der Geschichte«. Sie ist eine attraktive und unmittelbar umsetzbare Alternative zu dem zerstörerischen Wirtschaftssystem, in dem wir derzeit gefangen sind. Die Reise der Menschheit, unsere Phantasie und Evolutionskraft enden sicher nicht auf den nächsten 150 Seiten. Diese sind – hoffentlich – nur der nächste Schritt.









Motivation (aus dem Kapitel: 5. Motivation und Sinn)






Einer der häufigsten Vorbehalte, wenn Menschen das erste Mal vom Modell Gemeinwohl-Ökonomie hören, ist die Sorge, dass Menschen nicht mehr motiviert wären, wenn Unternehmen nicht nach Gewinn und Personen nicht vorrangig nach ihrem eigenen Vorteil streben könnten; und wenn die Konkurrenz »abgeschafft« würde: Woher sollen denn dann der Leistungsanreiz, die Innovation – und unser Wohlstand – kommen?

Diese Befürchtungen entspringen dem kapitalistischen/sozialdarwinistischen Menschenbild, demzufolge der Mensch vor allem durch das Streben nach dem eigenen Nutzen und Vorteil in Konkurrenz zu anderen Menschen motiviert wird. Wenn keine Konkurrenz droht, dann arbeiten Menschen nur mit halber Kraft oder liegen gar faul auf der Haut; sie wissen wenig mit sich und ihrem Leben anzufangen, wenn sie sich nicht mit anderen vergleichen und messen können; wenn sie nicht von Angst vor Statusverlust oder vom Verlangen nach Geltung und Überlegenheit getrieben werden. Intrinsische Motivation, kindliche Neugierde, Inspiration oder spontane Kreativität – gibt es in diesem Menschenbild nicht. Bevor ich auf diese wissenschaftlich nicht haltbaren Befürchtungen eingehe, was in keinem Widerspruch dazu steht, dass jede/r von uns viele Menschen persönlich kennt, die tatsächlich so »ticken« und sich entsprechend verhalten (weil sie es nicht anders gelernt haben!), zunächst ganz pragmatisch:

1. Der häufigste und einfachste Beweggrund, einem Unternehmen beizutreten oder es zu gründen, liegt darin, dass Menschen ein Einkommen benötigen. Der Erwerbszwang ist in der Gemeinwohl-Ökonomie nicht abgeschafft, zumal es neben der »demokratischen Mitgift« und den vier Freijahren nur eine bescheidene Grundsicherung geben wird, die zwar für das Überleben ausreicht, aber nicht zu einem »guten Leben«. Wer ein gutes Leben haben möchte, muss dafür etwas tun. Der Rahmen wird aber ein ganz anderer und für das Finden einer Erwerbsarbeit viel günstigerer sein als heute: Denn die Menschen werden in der Gemeinwohl-Ökonomie a) weniger gestresst und überfordert sein, b) mehr Sinn finden, c) mehr mitgestalten und mitentscheiden können, weil die Rollen von »UnternehmerInnen« und »ArbeiterInnen« zunehmend verschwimmen; und d) werden die Unternehmen nicht zueinander in Kontrakurrenz stehen und höhere Gewinne erzielen müssen als die anderen, weshalb sie nicht um die Wette Arbeitsplätze abbauen werden.

2. Einkommen in privaten Unternehmen dürfen bis zum Zwanzigfachen des gesetzlichen Mindestlohnes ausmachen. Somit besteht selbst für Menschen, denen viel an Geld liegt, ein hoher Anreiz, eine Arbeit anzunehmen oder ein Unternehmen zu gründen. Da der Mindestlohn so bemessen sein wird, dass er für ein menschenwürdiges Leben ausreicht – beispielsweise mit netto 1250 Euro pro Monat –, hat jemand, der viel Geld begehrt, die Möglichkeit, ein Zwanzigfaches dessen zu verdienen, was für das Überleben nötig ist. Dadurch, dass das Erbrecht begrenzt und Besitzen nicht mehr belohnt wird, sondern nur noch Arbeit, ist sichergestellt, dass Einkommen durch tatsächliche Leistung zustande kommen. Für hohe Einkommen muss jetzt wirklich mehr geleistet werden. Besitzen alleine reicht nicht mehr aus.

3. Die Glücksforschung hat gezeigt, dass hohe Einkommen ab einer gewissen Grenze nicht mehr glücklicher machen und deshalb auch keine sinnvolle Motivation sein können. Internationalen Studien zufolge liegt diese Schwelle schon bei 20 000 US-Dollar Jahreseinkommen, das wäre nicht einmal das Doppelte des angenommenen gesetzlichen Mindestlohnes von 1250 Euro pro Monat. Die höchste mir bekannte Schwelle liegt bei 290 000 US-Dollar Jahreseinkommen – auf Dollar-Basis zufällig das Zwanzigfache des vorgeschlagenen Mindestlohnes. Darüber hinausgehende Einkommenszuwächse bringen keinen nachweisbaren Zuwachs an Lebensglück. (Und auch nicht an Leistung: Die 45 bestbezahlten Toyota-Manager verdienten 2009 imSchnitt 320 000 Euro.

4. Nicht nur die Glücksforschung, sondern auch Sozialpsychologie und Neurobiologie kommen zum Schluss, dass Menschen durch etwas ganz anderes viel stärker motiviert werden als durch Geld: durch gelingende Beziehungen. »Gelingende Beziehungen sind das unbewusste Ziel hinter allem menschlichen Bemühen«, schreibt Joachim Bauer. Ich überprüfe diese Erkenntnisse immer wieder bei Vorträgen und ersuche die Anwesenden, kurz in sich zu gehen und die Situation zu benennen, in der sie in ihrem bisherigen Leben am glücklichsten waren. Stets werden Momente von Verbundenheit genannt und das Erleben gelingender Beziehungen; mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Natur oder dem großen Ganzen. Am häufigsten fallen – neben intensiven Naturerlebnissen (Sandstrände, Sonnenuntergänge, Berggipfel oder Gartenarbeit) – die Stichworte »Freunde«, »Familie« und »Geburt«, also gelingende zwischenmenschliche Beziehungen. Genau diese Erfahrungen sollen in der Wirtschaft als Ziel definiert, wertgeschätzt und rechtlich belohnt werden. Wir wären nicht sehr weise, wenn wir die »Expertise« oder kollektive Erfahrung, die wir mit Glück und gelingender Gemeinschaft schon wissenschaftlich gesichert haben, nicht auch in der Wirtschaft anwenden würden. Das Gelingenlassen von zwischenmenschlichen und ökologischen Beziehungen würde in der Gemeinwohl-Ökonomie zur neuen Bedeutung von Leistung und wirtschaftlichem Erfolg. Dann streben wir endlich nicht nur nach einem sinnvollen Ziel, sondern sind dabei erwiesenermaßen auch stärker motiviert als im momentanen strukturellen Gegeneinander und im Streben nach dem persönlichen Vorteil auf Kosten anderer. Die Demokratisierung von Unternehmen wird nicht nur die Motivation aller Beteiligten erhöhen, sondern auch den Wohlstand: »Wenn eine Firma durch größere Mitbestimmung zu einer Gemeinschaft verwandelt wird, steigt auch die Produktivität«, hat der Epidemiologe und Ungleichheitsforscher Richard Wilkinson anhand zahlloser Studien herausgefunden.

Heüte genießen KapitalbesitzerInnen immer noch verbreitet hohes Ansehen, weil ihnen zugeschrieben wird, dass sie bereit sind, ein persönliches Risiko auf sich zu nehmen, und sie dabei zahlreiche Arbeitsplätze und volkswirtschaftlichen Wohlstand schaffen. Wie sähe das in der Gemeinwohl-Ökonomie aus? Zunächst hätten immer mehr Menschen die Möglichkeit, Unternehmen zu gründen, weil sie mit einem ansehnlichen Startkapital ins Berufsleben starten: Sie können sich sofort an Unternehmen beteiligen oder selbst neue Unternehmen gründen. Wenn mehrere Personen ihre »demokratische Mitgift« zusammenlegen, kommt rasch eine Gründungsmillion zusammen. Da die GründerInnen oft nicht einmal einen Bankkredit benötigen, verringert sich ihr unternehmerisches Risiko signifikant.

Die gerechtere Verteilung von Kapital bewirkt, dass sich die Risikobereitschaft gleichmäßiger über die Bevölkerung verteilt. Das Gemeinwesen ist dann weniger auf schillernde Persönlichkeiten angewiesen, die zu herausragenden LeistungsträgerInnen stilisiert werden, obwohl sie ihre Vermögen zum Teil bloß geerbt und nicht selbst erarbeitet oder durch positive Rückkoppelungseffekte auf Kosten anderer erworben haben. In fast allen Fällen sind sie zudem auf die unsichtbare Beziehungsarbeit von Frauen angewiesen, deren essenzielle, lebenserhaltende und Glück bringende Leistungen kaum gesehen, wertgeschätzt und belohnt werden. Das muss sich ändern.


Siehe auch:


Christian Felber: 50 Vorschläge für eine gerechtere Welt – Gegen Konzernmacht und Kapitalismus



Christian Felber: Neue Werte für die WirtschaftEine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus



Christian Felber: Kooperation statt Konkurrenz – 10 Schritte aus der Krise



Christian Felber: Retten wir den Euro!



Christian Felber: GeldDie neuen Spielregeln