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Götz W. Werner
Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen

Interviews und Reaktionen


Stuttgart 2006 (Freies Geistesleben); 128 Seiten; ISBN 3-7725-1789-7 / 978-3-7725-1789-1








Über Jahrtausende wurde die Grundversorgung großer und kleiner Menschengemeinschaften durch Sklaven bewerkstelligt. Nach und nach wurden einzelne Aufgaben von Freien besorgt – gegen Bezahlung. Durch bezahlte Arbeit war einer in der Lage, sich und seine Familie mehr oder weniger zu ernähren. Mit der systematischen Arbeitsteilung und industriellen Anfertigung wurde die Produktivität zu ungeahnter Höhe gesteigert. Arbeit von Menschenhand wird durch den erfinderischen Geist in immer größerem Umfang gespart. Es gibt viele Arbeiten, die nie mehr in dem Umfang von Menschen bewältigt werden müssen wie früher. Schon seit vielen Jahren machen die Weitsichtigen unter den Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen darauf aufmerksam, dass eine Vollbeschäftigung im Sinne von bezahlter Arbeit für alle Arbeitsfähigen nicht mehr gewährleistet werden kann. Nur in der Politik der Parteien wird dies nicht, zumindest nicht offen und mit Konsequenzen für die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens, zur Kenntnis genommen. Denn spätestens mit der Einsicht, dass eine Vollbeschäftigung aller arbeitsfähigen Menschen zu der Vergangenheit moderner Industriestaaten gehört, müsste überlegt werden, wie das Verhältnis zwischen Arbeit und Einkommen neu zu ordnen wäre.

Im Dezember 2004 sprach sich der Unternehmensgründer von dm-drogerie markt Götz Werner öffentlich in dem Lebensmagazin a tempo für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jeden aus. Im April 2005 erschien in dem Wirtschaftsmagazin der unternehmerischen Avantgarde brand eins ein ausführliches Interview mit Götz Werner über die Idee des Grundeinkommens, worauf in den folgenden Monaten auch in anderen führenden Zeitschriften und Zeitungen verschiedene Interviews erschienen, unter anderem auch im Stern.

Mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Bürger könnte Deutschland eine Pionierrolle in der Welt übernehmen.

Noch stehen wir nicht am gesellschaftlichen und historischen Wendepunkt. Aber wenn immer mehr Menschen sich für die Idee des Grundeinkommens einsetzen, rücken wir dem Wendepunkt etwas näher.


Geleitwort von Jean-Claude Lin (Verleger)


Götz W. Werner


geboren 1944 in Heidelberg, machte nach der Mittleren Reife in Konstanz eine Lehre zum Drogisten. 1973 gründete er seinen ersten Laden in Karlsruhe. Heute umfasst seine Drogeriemarktkette dm europaweit rund 1500 Filialen, in denen 21000 Mitarbeiter 3,1 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Bei seiner Unternehmensführung stellt er den Menschen in den Mittelpunkt. Er ist Vorsitzender der dm-Geschäftsführung und leitet zudem als Professor das Interfakultative Institut für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe (TH).


Inhaltsverzeichnis


Stehen wir an einem Wendepunkt? Zum Geleit von Jean-Claude Lin






Interviews und Texte von und mit Götz W. Werner



Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen



Immer am Säen. Interview mit Götz Werner in a tempo



Radikalreform statt Banalreform



Wir leben in paradiesischen Zuständen“. Interview mit Götz Werner im Wirtschaftsmagazin brandeins



Das manische Schauen auf Arbeit macht uns alle krank“. Interview mit Götz Werner im Stern



Man muss radikal denken und schrittweise handeln“. Interview mit Götz Werner und Benediktus Hardorp im Bankspiegel






Auswirkungen – weitere Texte und Interviews



Der Lohn der Angst von Wolf Lotter



Trennung von Arbeitsmarkt und Sozialpolitik. Ein Interview mit Thomas Straubhaar



Arbeitslohn steuerfrei! Ein Interview mit Wolfgang Eichhorn



Die Steuern reformieren heißt neu teilen lernen. Interview mit Benediktus Hardorp



Freiheit ermöglichen, das Gemeinwesen stärken von Sascha Liebermann






Reaktionen



Antworten von Götz Werner und Benediktus Hardorp auf ihr Interview im Bankspiegel



Leserbriefe aus der Stuttgarter Zeitung vom 12.7.05



Weitere Zuschriften und Reaktionen






Literatur und Links


Leseprobe


Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen



Anzeigentext in überregionalen deutschen Zeitungen, November 2005






Hat es unsere Gesellschaft nötig, auch nur einen einzigen Bürger durch das soziale Netz fallen zu lassen? Unsere Produktivität steigt ständig, nur nehmen wir das schon nicht mehr wahr. Durch unser System der mit hohen Steuern und Abgaben belegten Erwerbsarbeit wird den Unternehmen die Arbeit zu teuer. Deshalb rationalisieren sie, verlagern dabei Arbeitsplätze ins Ausland. Doch erhalten auch Erwerbslose ein Einkommen – finanziert durch Steuern, Abgaben und Lohnnebenkosten. Alle verlieren dabei – Einkommen und soziale Basisleistungen werden für den Einzelnen immer kleiner.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen, bei dem die heute bestehenden sozialen Transfersysteme zusammengelegt werden, kann das ändern. Dann kann jeder, frei von grundlegenden Existenzsorgen, als freier Bürger tätig werden und die Arbeit erledigen, die ihm zugleich sinnvoll erscheint. Arbeit als ein Füreinander-Leisten in sozialer Sicherheit, in Würde und nach eigener Wahl. Automation wird segensreich, denn durch den Wegfall von Arbeiten, die auch programmierbare Automaten leisten können, entsteht keine neue Arbeitslosigkeit. Das Grundeinkommen schafft vielmehr Freiraum: Viele gemeinwirtschaftliche und kulturelle Arbeitsaufgaben sind finanzierbar. Viele neue Initiativen werden entstehen. Viele Menschen werden den Sinn in ihrer Arbeit wieder entdecken. Denn niemandem ist verwehrt, über das bedingungslose Grundeinkommen hinaus tätig zu werden und weiteres Einkommen zu erzielen – nur der Zwang fällt weg.

Ein transparentes Steuerwesen kann das bedingungslose Grundeinkommen tragen, das an alle Bundesbürger ausbezahlt wird. Grundlage ist die schrittweise Umgestaltung unseres Steuerwesens in Richtung Verbrauchssteuern. Die Vorteile: Wer weniger verbraucht, zahlt auch weniger Steuern, wer mehr verbraucht, höhere und mehr. Der Bürger muss keine Steuererklärung mehr ausfüllen. Bezahlt wird, wo konsumiert, wo verbraucht wird. Die Besteuerung wird wettbewerbsneutral. – Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird gestärkt, weil er Kapital ins Land zieht. Die Beschäftigung im Inland wird gesichert.

Ein Teil der heute mehr als 720 Milliarden Euro an Sozialausgaben in Deutschland kann schon durch den Wegfall der Verteilungsbürokratie eingespart werden. Das Wichtigste aber ist, dass damit ein leistungsfähiges Gemeinwesen für alle Bürger entsteht, in dem es keine Verlierer mehr gibt. Dafür wird es freie und selbst bestimmte Menschen geben, die Arbeit nicht mehr als Last, sondern als Chance verstehen.









Radikalreform statt Banalreform



von Götz W. Werner






Das Dilemma

Einerseits steigern wir ständig die Produktivität unserer Wirtschaft, andererseits ist die Folge davon, dass immer mehr Menschen, die vorwiegend durch Handarbeit, ob in der Landwirtschaft oder in der Industrie, zur volkswirtschaftlichen Leistung beitragen, arbeitslos werden. Dieses Dilemma besteht für mich – als Unternehmer – nur scheinbar. Es wird aber so lange eines bleiben, wie das Einkommen an die Arbeit gekoppelt ist. Dass dieses Prinzip nicht aufrechterhalten werden kann, davon sprach schon der vor kurzem verstorbene Peter Glotz. Er meinte gar, das Gerede von Vollbeschäftigung sei in Wirklichkeit ein Schweigegelübde des Establishments.

Tatsächlich leben heute in Deutschland bereits 15 Millionen Menschen von Erbschaften, Sozial- und Arbeitslosenhilfe, Schwarzarbeit oder von Zuwendungen Dritter. Jedenfalls nicht mehr durch die eigene Arbeitsleistung oder die eines Familienmitglieds.

Der Weg aus der Krise ist deshalb der Weg aus dem scheinbaren Dilemma – und nur zu gehen, indem wir Arbeit und Einkommen entkoppeln. Und das muss mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens verbunden sein.

Was bringt ein solches «bedingungsloses Grundeinkommen»?

Die Nettopreise sinken, da die Löhne und Gehälter teilweise durch das Grundeinkommen ersetzt werden. Da die gesunkenen Löhne und Gehälter kompensiert werden, bleibt aber die Kaufkraft des Einzelnen erhalten. Zweitens kann der Staat die heute bereits bestehenden Transferleistungen und sonstige Zahlungen an die Bürger einstellen. Zuschüsse an die Rentenkassen, Kapitaltransfer zwischen Arbeitsagentur und Krankenkassen, Kinder- und Wohngeld, Fahrtkostenzuschüsse und sonstige Subventionen fallen weg. Und drittens werden Produkte, die für den Export bestimmt sind und derzeit durch die Ertrags- und Einkommenssteuern belastet werden, wesentlich billiger.

Mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens muss ergo eine radikale Steuerreform einhergehen. Deutschland braucht als Exportweltmeister und als postagrarische wie postindustrielle Gesellschaft in einer zunehmend grenzenlosen Weltwirtschaft eine Umstrukturierung des Steuersystems von der Ertragsbesteuerung auf eine den Verbrauch im Inland treffende Besteuerung des Realeinkommens – das heißt, nicht die erbrachte Leistung soll versteuert werden, sondern der Konsum. Diese Konsumbesteuerung bedeutet eine schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger und paralleler Senkung der Unternehmenssteuern.

Alle diejenigen, die darin einen Vorschlag zur Erhöhung der Unternehmergewinne vermuten, seien daran erinnert, dass sowieso alle Steuern in die so genannten Endverbraucherpreise mit einbezogen werden. Das heißt: Hohe Steuern bezahlt der Konsument auch heute schon mit höheren Preisen. Misstrauen dient der Sache also nicht.

In diesem Misstrauen spiegelt sich meines Erachtens ein negatives Menschenbild – und das scheint mir derzeit das Hauptproblem zu sein, das eine radikale Reform des Steuersystems verhindert. Während man davon ausgehen kann, dass die Entscheidungsträger von den bestehenden Strukturen profitieren, scheinen die Entscheidungsträger selbst davon auszugehen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Arbeits- und Leistungsbereitschaft der Menschen erlahmen lässt.

Zukunft der Arbeit

Ich gehe aber davon aus, dass ein Grundeinkommen dazu führt, dass sich die Bürger keinen Einkommensplatz mehr suchen müssen, bei dem sie Aufgaben bewältigen, die ihren tatsächlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten gar nicht entsprechen, sondern dass sie einen Arbeitsplatz suchen können, bei dem sie die Möglichkeit finden, ihre tatsächlichen persönlichen Potenziale zur Entfaltung zu bringen. Das hätte zur Konsequenz, dass zunehmend nur noch Arbeitsplätze gesucht würden, die man als sinnvoll akzeptiert, weil sie erstens der eigenen Intention entsprechen und weil diese Arbeitsplätze zweitens den allgemeinen moralischen Anforderungen an einen Arbeitsplatz entsprächen. Es würde aber auch ein enormes Potenzial entstehen für dann bezahlbare Arbeit am und für die Menschen, ob es sich dabei um Pflegedienste für Ältere und Kranke, um Bildungsaufgaben oder um Aufgaben im Kulturleben handelt.

Und nicht zuletzt erwarte ich als Unternehmer eine deutliche Stimulierung von Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Es fände keine staatliche Subventionierung von «Ich-AGs» statt, sondern es würden unternehmerische Initiativen ermöglicht, weil der Staat den Bürgern die Freiräume schaffen würde, sich selbst zu unternehmen. Es ist doch eine objektive Tatsache, dass jegliche unter dem Prinzip der Arbeitsteiligkeit geleistete Arbeit eine Leistung ist, die man nicht für sich erbringt, wie es der Begriff der Ich-AG suggeriert, sondern dass diese Leistung für andere erbracht wird. Somit beruht Wirtschaft auf einem ständigen Wechselprozess füreinander erbrachter Leistungen, also auf einem umfassenden, gegenseitigen Füreinander-Leisten. Da Volkswirtschaft, ein organisiertes Füreinander-Leisten ist, muss die Einkommens-, Sozial- und Steuerpolitik genauso ausgerichtet sein, dass sie dieses Organisieren bestmöglich begünstigt. Ich meine, dass dies nur dann möglich ist, wenn wir durch garantierte Grundeinkommen diese Freiräume eröffnen, wenn wir den Menschen zutrauen, dass sie gescheit und verantwortungswillig ihren Beitrag leisten wollen, und wenn wir akzeptieren, dass unsere deutsche Volkswirtschaft mit ihren modernen Produktionsmethoden in der Lage ist, ausreichende Einkommen für alle Bürger zu erwirtschaften, und alle Menschen in Deutschland behaglich und sicher leben können. Und dies, ohne die fragwürdige Pflicht zur Arbeit und ohne die vermeintliche Schande, arbeitslos zu sein.


Siehe auch


Götz W. Werner: Einkommen für alle



Götz Werner & Adrienne Goehler: 1000 € für jedenFreiheit. Gleichheit. Grundeinkommen



Götz W. Werner: Das bedingungslose Grundeinkommen. Vortrag auf Audio-CD, 82 Min.



www.unternimm-die-zukunft.de



wiki.unternimm-die-zukunft.de



Verlagsinformation / Bestellmöglichkeit



www.freiheitstattvollbeschaeftigung.de



www.grundeinkommen.info



www.archiv-grundeinkommen.de



www.grundeinkommen.at



www.initiative-grundeinkommen.ch



www.grundeinkommen2005.org



www.grundeinkommen.tv



Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen



Wikipedia – Grundeinkommen



HWWI (Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Institut)