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Geseko von Lüpke
Politik des Herzens

Nachhaltige Konzepte für das 21. Jahrhundert
Gespräche mit den Weisen unserer Zeit.



München 2003 (Arun), 2. komplett überarbeitete Auflage; 407 Seiten; ISBN 3-935581-33-5








Politik des Herzens, das heißt: Aus dem Herz, über den Kopf, in die Hände! Politik des Herzens ist eine Grundhaltung, die statt rationaler Distanz mitfühlende ldentifikation fordert und eine Synthese versucht, in der Politik und ökologisches Engagement zur spirituellen Disziplin werden, wo der rational-wissenschaftliche Blick ehrfurchtsvolles Staunen auslöst, wo das Zulassen von Gefühlen zu vernünftiger Politik führt und die Natur als kreative, beseelte und intelligente Kraft verstanden wird, in der wir uns spiegeln und von der wir lernen können. Diese Politik muss nicht erst neu entwickelt werden. Sie ruht bereits in unseren Herzen.

Der bekannte Journalist und Visionssucheleiter hat hier seine Gespräche mit Politikern, (Tiefen-)Ökologen, Wissenschaftlern, Vordenkern und Visionären zusammengestellt: 39 konzentriert geführte Gespräche bieten die Essenz der Erfahrung und des Wissens der Weisen unserer Zeit. Dieses Buch ist eine intensive Einführung in das Denken der Zukunft!


Geseko von Lüpke


geboren 1958, arbeitete nach seinem Studium der Politikwissenschaft, Publizistik und Ethnologie sowie einer Redakteursausbildung als freier Journalist, Autor und Redakteur. Im Bayerischen Rundfunk und anderen öffentlich-rechtlichen Funkhäusern wurde er durch zahlreiche Features über ganzheitliche Ansätze in der Wissenschaft, über alternative Lebensformen, interkulturellen Dialog und Spiritualität bekannt. Er schreibt regelmäßig für die Zeitschrift „Natur & Kosmos“. Über seine initiatorische Arbeit mit Erwachsenen veröffentlichte er das Buch „Visionssuche“ (München 2000).


Inhaltsverzeichnis


Vorwort & Danksagung






Die Zeit des großen Wandels






1. Das neue Bild der Erde






Das Universum ist ein einziges lebendiges System




Im Gespräch mit dem Quantenphysiker Hans-Peter Dürr







Vom Maschinen-Denken zum spielerischen Kosmos




Im Gespräch mit dem Chaosforscher und Biologen Friedrich Cramer







Wir brauchen eine neue Schöpfungsgeschichte




Im Gespräch mit dem Kosmologen Thomas Berry







Die Erde ist ein lebender Organismus




Im Gespräch mit dem Geophysiologen James Lovelock







Erwachsene Menschen auf Mutter Erde




Im Gespräch mit der Biologin Elisabeth Sathouris







Die Wiederentdeckung der lebendigen Natur




Im Gespräch mit dem Biologen Rupert Sheldrake







2. Das Netz des Lebens







Grundprinzipien des systemischen Denkens




Im Gespräch mit dem Physiker Fritjof Capra







Die Welt als Geliebte




Im Gespräch mit der Ökologin Joanna Macy







„Wir müssen unsere Fürsorge ausdehnen“




Im Gespräch mit dem Öko-Philosophen Arne Naess







Das wirkliche Menschsein wiederentdecken




Im Gespräch mit der Ökologin und Kulturforscherin Dolores LaChapelle







3. Leben in lebenden Systemen







Wir sind ein Muster im großen Teich




Im Gespräch mit dem Systemtheoretiker Ervin Laszlo







Von der Natur lernen




Im Gespräch mit dem Atomphysiker und Nobelpreisträger Gerd Binnig







Jeder ist eingebunden in ein größeres Ganzes




Im Gespräch mit dem Psychologen Bert Hellinger







4. Ancient Futures – Aus der Vergangenheit lernen







„Was wir brauchen, ist Vielfalt!“




Im Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Helena Norberg-Hodge







Enge heißt Krankheit und Weite heißt heil sein




Im Gespräch mit dem Ethnologen Holger Kalweit







Vision Quest – Sinnsuche in der Wildnis




Im Gespräch mit den Visionssuche-Leitern Steven Foster & Meredith Little







„Anima Mundi“ – Denken wie ein Berg




Im Gespräch mit dem Archäologen und Bewusstseinsforscher Paul Devereux







Traditionelles Wissen für den Bau des globalen Dorfs




Im Gespräch mit dem Heiler und Anthropologen Malidoma Somé







„Wir sind ein Pünktchen in dem großen Runden“




Im Gespräch mit dem Literaten und Schamanen Galsan Tschinag







5. Die Kunst des Haushaltens: Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie







Nachhaltigkeit ist das, was wir daraus machen




Im Gespräch mit der Zukunftsforscherin Donella Maedows







Alles Globale hat lokale Wurzeln




Im Gespräch mit der Quantenpysikerin und Aktivistin Vandana Shiva







Wege zum Ökokapitalismus




Im Gespräch mit dem Mathematiker und Ökologen Amory Lovins







„Das Natürliche ist zu kooperieren“




Im Gespräch mit dem Ökonom Manfred Max-Neef







6. Erdpolitik: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft







Wir brauchen eine demokratische Erdpolitik




Im Gespräch mit dem Ökologen Ernst-Ulrich v. Weizsäcker







Von der Umwelt zur Mitwelt




Im Gespräch mit dem Kulturwissenschaftler Klaus-Michael Meyer-Abich







Politik aus Ehrfurcht und Liebe




Im Gespräch mit dem Ökologen José Lutzenberger







Gegen die globalisierte Wirtschaft kämpfen




Im Gespräch mit dem Ökologen und Philosophen Edward Goldsmith







Eine Bewegung mit „Einem Nein und vielen Ja's“




Im Gespräch mit der Globalisierungskritikerin Naomi Klein







Im Namen der Natur




Im Gespräch mit dem Umweltjuristen Klaus Bosselmann







„Dem inneren Impuls folgen!“




Im Gespräch mit der Aktivistin und Baumschützerin Julia Butterfly Hill







7. Wachstum ins Undenkbare: Die innere Evolution







Krise als Chance zum Wachstum




Im Gespräch mit dem Arzt und Psychotherapeuten Wolf Büntig







Im kreativen Muster der Schöpfung




Im Gespräch mit dem Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi







Aufbruch in die transpersonale Realität




Im Gespräch mit dem Bewusstseinsforscher Stanislav Grof







Spirituelle Krisen – Zwischen Weisheit und Wahn




Im Gespräch mit dem Arzt Dr. Joachim Galuska







Die Innenwelt des Sterbens




Im Gespräch mit dem Nahtodforscher Kenneth Ring







8. Spirituelle Ökologie und ökologisches Christentum







Ein Teil der Schöpfung werden




Im Gespräch mit dem Schöpfungstheologen Matthew Fox







Die Welt wieder zum Heiligtum machen




Im Gespräch mit dem Ökophilosophen Henryk Skolimowski







Glaube zwischen Rationalität und Mystik




Im Gespräch mit dem Kirchenkritiker und Theologen Eugen Drewermann







Eine neue Vision des Lebens




Im Gespräch mit dem christlichen Mystiker Bede Griffiths







Bildquellennachweis


Leseprobe


Vorwort & Danksagung






Dieses Buch gleicht einer Schatzkiste, in der über Jahre wertvolle Worte abgelegt wurden. Eine solche Schatzkiste zu öffnen und den Inhalt zu verteilen, heißt nicht, sich selber ärmer, sondern die Welt reicher zu machen.






Als Rundfunkjournalist hatte ich in den letzten Jahren die wunderbare Möglichkeit, Menschen aus aller Welt zu begegnen, die ihr Leben den existentiellen Fragen unserer Zeit gewidmet und Antworten gefunden haben, die weit über den Rahmen des konventionellen Weltbilds hinausgehen. Viele dieser Begegnungen gingen weit hinaus über einen kurzen und oft oberflächlichen Interview-Kontakt. Häufig entwickelte sich eine Zusammenarbeit, manchmal eine Freundschaft und in einzelnen Fällen wurden die Gesprächspartnerlnnen zu meinen Lehrern. Ohne diese Begegnungen wäre ich nicht, was ich heute bin. Keins meiner Bücher („Kooperation mit der Evolution. Über das kreative Zusammenspiel zwischen Mensch und Kosmos“, Diederichs new science, 1999 ; „Vision Quest. Visionssuche: Allein in der Wildnis auf dem Weg zu sich selbst“, Ariston 2000 ; „Die Alternative. Wege und Weltbilder des Alternativen Nobelpreises“, Riemann 2003) wäre erschienen. Die in diesem Band versammelten 39 Gespräche haben wie einzelne Puzzlesteine mein Weltbild ergänzt und vertieft. Sie haben mein Berufsbild verändert, wurden die Grundlage für meine Arbeit als Visionssucheleiter in der Wildnis und haben mich selber zum Lehrer für andere werden lassen. Für all diese Entwicklungen und Geschenke bin ich meinen GesprächspartnerInnen zutiefst dankbar.






In alten Zeiten wurden Wissen und Weisheit nur mündlich weitergegeben. Immer waren es die „Ältesten“, die den nachfolgenden Generationen erzählten, was sie gelernt hatten über die Wunder zwischen Himmel und Erde. Wissen war keine trockene Kopfgeburt, an deren Weitergabe man vor dem Computer Wort für Wort feilte, sondern gelebte Erfahrung und direkte Kommunikation mit Gefühl, Witz und Liebe. Derartige „orale Traditionen“ scheinen heute so gut wie ausgestorben. Fast!






Denn das Medium, in dem immer noch wie in alten Zeiten Geschichten erzählt werden können, ist das Radio. Zwar wird es mehr und mehr missbraucht als Transportmittel für seichte Inhalte und kommerzielles Gedudel, doch es gibt noch Reservate: Ähnlich wie Naturparks staatlich geschützte Gebiete, in denen das Denken frei wuchern und neue Blüten hervorbringen kann. Als solch ein Reservat hat sich in den letzten Jahren die „Redaktion Kulturkritik“ im zweiten Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks erhalten können. Auf diesem Sendeplatz wurden zahlreiche der in diesem Buch versammelten Gespräche und Interviews in ganzer Länge ausgestrahlt und hatten eine zum Teil enorme Hörerresonanz. Der Redaktion und vor allem der Redakteurin Maria Klaner sei Dank für ihren Mut, einem Denken, das die Schubladen sprengt, diesen Platz einzuräumen. Ohne ihr Engagement und die zahllosen Aufträge, in aller Welt Gespräche mit den Weisen unserer Zeit zu suchen, wäre es zu diesem Buch nicht gekommen.






Das Wissen und die Lebenserfahrung, die in diesen Gesprächen zum Ausdruck kommen, sind zu wertvoll, um sie nach einmaliger Ausstrahlung in den Archiven einer Rundfunkanstalt verstauben zu lassen. So entstand die Idee, die Schatzkiste zu öffnen. Die damit verbundene Bearbeitung und Übersetzung zahlreicher in Englisch geführten Interviews hat viel Zeit und Arbeit gekostet. Ich danke der Münchner Kairos-Stiftung von Monika und Tobias Sachtleben von Herzen, dass sie dieses Projekt mit einer großzügigen finanziellen Förderung ermöglicht haben.






Wer dieses Buch in der Hand hält, sollte sich bewusst sein, dass es den Inhalt von mindestens 39 Bänden enthält. Alle der hier versammelten Pioniere und Weisen unserer Zeit haben selbst zum Teil zahlreiche Bücher geschrieben. Doch die konzentrierte Form des Gesprächs ermöglichte es, aus diesem ungeheuren Fundus an Wissen die Essenz lebenslangen Forschens und Fragens heraus zu destillieren. Niemand der GesprächspartnerInnen hat die Einsichten, die hier in konzentrierter Form vorgestellt werden, im schummrigen Dunkel eines Studierzimmers entwickelt. Alle gehören zu jener Kategorie Mensch, von denen die amerikanischen Indianer sagen, "they walk their talk". Dabei hat niemand von ihnen, wie ein schlechter Guru, abhängige Schüler um sich geschart, die den Stein der Weisen wie ein Museumsstück unverändert bewahren sollten. Vielmehr wurde ihre Lebenserfahrung zu Wissen, das sie mit der Absicht weitergaben, den Geist anderer Menschen zu befreien und eine kollektive Entwicklung voranzutreiben.






Sie sind in diesem Sinne buchstäblich „Älteste“. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der Männer und Frauen, die hier ihr Wissen weitergeben, bei fast 70 Lebensjahren. Was daran deutlich wird, ist, dass wir nicht sehnsüchtig nach den Ältesten in traditionellen Kulturen schielen müssen. Die Weisen und Ältesten leben vielmehr unter uns. Sie haben aus einem 20. Jahrhundert voller Krieg, Gewalt und Zerstörung gelernt, sind durch tiefe persönliche Krisen und Transformationen gegangen und haben aus dieser Erfahrung ein neues Kapitel in der geistigen Evolution des Menschen zu schreiben angefangen. Diese Menschen gilt es aufzufinden, zu befragen und zu ehren. Denn es sind viel mehr als die hier vorgestellten.






In diesem Buch ist viel von einem neuen Welt- und Menschenbild die Rede, das wir für ein neues, zukunftsfähiges Zeitalter brauchen. Auf dem schnelllebigen Markt der geistigen Modeerscheinungen war in den letzten Jahren viel vom „New Age“ die Rede. Nachdem dieses „neue Zeitalter“ nicht im Verlauf eines Jahrzehnts verwirklicht war, hat man es für erledigt erklärt und auf den großen Haufen anderer Visionen und Utopien geworfen. Die in diesem Band versammelten Gespräche verlangen für den notwenigen historischen Wandel unserer Kultur mehr Geduld. Sie gehen davon aus, dass wir uns erst auf der Schwelle zu einem erwachsenen und reifen Umgang mit der Welt befinden. Aber sie zeigen auch, dass hinter diesem schwierigen Übergang vom Gestern ins Morgen ein geistiger, kultureller und spiritueller Raum von enormer Weite liegt, den wir nach und nach erforschen und mit Leben füllen können. Dieses Buch soll ein weiterer Schritt auf diesem Weg sein.









Die Zeit des großen Wandels






Vordergründig bekommen wir es jeden Tag zu spüren: Die hoch-industrialisierte moderne Welt ist mit ihrer Weisheit ziemlich am Ende. Seien es die spürbaren klimatischen Veränderungen, die schleichend zunehmende ökologische Zerstörung, die wachsende internationale Aggressivität in der Auseinandersetzung zwischen Arm und Reich, das immer unkontrollierbarere Auf und Ab der Finanzmärkte, die kollabierenden Sozial- und Gesundheitssysteme, die leeren Staatskassen, die scheinbar nicht zu bewältigende Zunahme der Arbeitslosigkeit, das rasante Wachstum psychischer und allergischer Erkrankungen – wir erfahren immer mehr am eigenen Leib, am eigenen Geldbeutel, an der eigenen Lebensqualität, dass wir an einem Wendepunkt stehen. Gleichzeitig werden wir Zeugen eines immer absurder anmutenden Polit-Theaters, in dem sich die etablierten Parteien gegenseitig die Schuld für die Krisen in die Schuhe schieben, um dann im Fall eines Wahlsieges Maßnahmen zu ergreifen, die sich politisch immer weniger voneinander unterscheiden und deshalb vor allem eins gemeinsam haben: Sie ändern nichts. Politik wirkt immer öfter als wirklichkeitsfernes hektisches Gehudel, mit dem ein drängendes Problem behoben werden soll und zehn weitere geschaffen werden. Kein Wunder also, dass auftritt, was Feuilletonisten gerne als „Politikverdrossenheit“ bezeichnen. Doch es ist nicht die Verdrossenheit an der Politik selbst, sondern eine tiefe Enttäuschung über das offensichtliche Scheitern der bisherigen Ansätze. Verdrossenheit ist nur die Folge der Orientierungs- und Hilflosigkeit, in der sich die Kultur als Ganzes befindet.






Kreative Politik findet trotzdem statt. Allerorten und mit wachsender Phantasie. Nur eben nicht dort, wo wir sie bisher lokalisiert haben – in den Regierungsgebäuden und Behörden –, sondern an der Basis, in den Kommunen, den Initiativen und den Köpfen und Körpern der Menschen. Da wird die Welt immer öfter neu wahrgenommen, Politik neu gedacht und Ideen unkonventionell umgesetzt – so, wie bei jeder existentiellen Krise alte Denk- und Lebensmuster in Frage gestellt und durch neue Ansätze ersetzt werden. „Wir sind", sagt die amerikanische Kulturkritikerin Joanna Macy in diesem Band, „gleichzeitig Sterbebegleiter einer alten Welt und Geburtshelfer für eine neue Welt“.






Der Wandel, vor dem wir stehen, ist immens und reicht bis in die tiefsten Tiefen unseres Selbstbilds, unseres Menschenbilds, unseres Weltbilds. „Die Krise, in der wir stekken", lässt sich im Gespräch mit dem Physiker Fritjof Capra nachlesen, „ist eine Krise der Wahrnehmung." Was wir von der Welt und ihren inneren Gesetzen zu verstehen meinen, scheint nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit zu sein. Wir handeln auf Grund von Mythen, Überzeugungen und Denkmustern, an denen wir wie verbohrte Ideologen und blinde Fundamentalisten hängen. „Wir verwechseln die Landkarte, die wir uns von der Realität gemacht haben, mit der eigentlichen Wirklichkeit", betont im siebten Kapitel der Psychologe Stanislav Grof, „und halten die Landkarte für die Wirklichkeit."






Wer nach Alternativen für die lineare, monokausale, technologische, mechanistische Herangehensweise sucht, muss also zunächst einmal anerkennen, dass die Grundannahmen unseres Weltbildes falsch sind und die Wirklichkeit nicht ausreichend erklären – dass wir in der Sackgasse gelandet sind, weil wir an den falschen Mythos glauben. Mythen haben die Eigenart, dass wir sie kaum erkennen können, solange wir von ihnen beherrscht werden. Wir sehen sie bei vergangenen oder besser noch „primitiven“ Kulturen und übersehen dabei, dass wir eingesponnen sind in tiefe Glaubenssätze, denen wir oft wider besseren Wissens blindlings folgen, auch wenn sie voller Widersprüche sind.






Denn das gesamte wissenschaftlich-rationale Weltbild, das auf unveränderlichen und ewigen Naturgesetzen basiert und in stolzer Überheblichkeit auf jede religiöse und metaphysische Weltsicht herabblickt, ist in seiner Grundannahme selbst zutiefst metaphysisch: Natur-„Gesetze" erfordern zweifellos einen Gesetzgeber, der sie erlässt. Nicht ohne Ironie ist deshalb Gott für das Weltbild der Moderne schon mit einem Maschinisten verglichen worden, der die kosmische Maschine entworfen und gezündet hat, sich dann aber mit der Ölkanne in der Hand aus dem mechanistischen Universum zurückgezogen und zur Ruhe gesetzt hat. Wissenschaft ist kaum mehr als ein begrenzter Rahmen, ein rationales Fenster im Ozean des Nichtwissens, der Ahnung und Mystik.






In den letzten 500 Jahren westlicher Kulturgeschichte ist der europäische Mythos in seiner Funktion als Erklärungsmodell eines rätselhaften Kosmos gleich mehrfach auf den Kopf gestellt worden. Aus einem theologischen, geozentrischen Weltbild, das die Erde im Mittelpunkt des Kosmos sah und den Menschen als ausgewähltes Werkzeug Gottes begriff, entstand das wissenschaftliche, heliozentrische Weltbild, das die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems brachte und die Erde auf einen kreiselnden Trabanten reduzierte. Die moderne Sternkunde hat uns gelehrt, dass wir in kosmologischen Maßstäben mikrobische Lebewesen auf einer staubkorngroßen Materieballung in einem Sonnensystem am Rande einer von Millionen Galaxien sind.






Obwohl oder vielleicht auch weil sich der homo sapiens hier in Nichtigkeit aufzulösen scheint, hat der postmoderne Mensch sich einen Mythos geschaffen, mit dem er all dieses Wissen geschickt umschifft: Das alte, geozentrische Weltbild mit der Erde im Mittelpunkt hat sich unmerklich auf den Menschen verlagert und zu einem anthropozentrischen Weltbild in einem heliozentrischen Sonnensystem geführt. Statt der Erde wurde der Mensch in den Mittelpunkt gestellt: als höchstentwickeltes Wesen, Ebenbild Gottes, Herrscher über Emotion und Natur. Dieses verbreitete menschliche Selbstbild, das unserem biologischen Wissen eigentlich widerspricht, ist ein Mythos. Die jüngsten Erkenntnisse über den evolutionären, wachsenden und sich ausdehnenden Kosmos haben diesem modernen Mythos nicht geschadet, sondern ihn eher noch verstärkt. Schon Darwins Evolutionstheorie war wie geschaffen, um ihn zu stärken: Da steht der Mensch am Ende einer Milliarden Jahre währenden Evolution, er ist ihr höchstes Produkt, Gipfelpunkt einer hierarchischen Pyramide und hat die Fähigkeiten und Fertigkeiten all seiner Vorgänger vereint. So mancher Naturforscher ist deshalb heute fest davon überzeugt, dass der Mensch der Gegenwart das Ziel der Evolution sei. Auch das ist ein Mythos von fast religiöser Kraft.






Deshalb soll es im ersten Kapitel dieses Buches um Das neue Bild der Erde gehen: Um einen neuen Mythos von der Evolution des Menschen und seine Rolle im Universum, der weltweit entstand, weil immer mehr Wissenschaftler die engen Grenzen der alten Sichtweise weit hinter sich gelassen haben. (...)


Siehe auch:


Geseko von Lüpke, Peter Erlenwein: Projekte der Hoffnung Der Alternative Nobelpreis: Ausblicke auf eine andere Globalisierung



Geseko von Lüpke: Die Alternative. Wege und Weltbild des Alternativen Nobelpreises. Pragmatiker, Pfadfinder, Visionäre



Geseko von Lüpke: Altes Wissen für eine neue Zeit – Gespräche mit Heilern und Schamanen des 21. Jahrhunderts



Geseko von Lüpke: Zukunft entsteht aus KriseAntworten von Joseph Stiglitz, Vandana Shiva, Wolfgang Sachs, Joanna Macy, Bernard Lietaer u.a.



Geseko von Lüpke im Gespräch mit Gabi Toepsch (BRalpha/PDF)



www.rightlivelihood.org/



http://de.wikipedia.org/wiki/Alternativer_Nobelpreis



Liste der Träger des Alternativen Nobelpreises (Wikipedia)



www.worldfuturecouncil.org



Alles Globale hat lokale Wurzeln– Geseko von Lüpke im Gespräch mit der indischen Physikerin Dr. Vandana Shiva